Liebe Freunde, Paten und Förderer,

Anfang September 2021 reisten drei Mitglieder des Vorstands – Otmar und Ingrid Debald und Jurate Bogacz- nach Litauen, um das Kinderdorf in Marijampole und das neue PATRIA-Begegnungshaus in Kaunas zu besuchen sowie dort die Kinder, Jugendlichen und Betreuer wiederzusehen. Bitte lesen Sie hier den ausführlichen Bericht ihrer Reise.

Bedingt durch Corona dauerte es zwei Jahre, bis wir im Anfang September 2021 wieder nach Litauen reisen konnten. Wir haben in der Corona-Zeit zwar gelernt, virtuell sehr erfolgreich mit unseren Partnern vor Ort und den Jugendlichen zu arbeiten, aber nichts kann das persönliche Miteinander ersetzen. So sind wir – Jurate Bogacz, Ingrid und Otmar Debald – mit großer Vorfreude am 1. September nach Vilnius geflogen und haben am folgenden Tag zunächst unser Kinderdorf „Vaiko Teviskes Namai“ in Marijampole besucht und danach das neue PATRIA-Begegnungshaus in Kaunas.

Im Kinderdorf Marijampoles leben nur noch 13 Kinder, die meisten sind im jugendlichen Alter. Wir hatten leider nur wenige Stunden Zeit für Gespräche dort und konnten auch keines der noch im Dorf lebenden 13 Kinder treffen, da alle noch in der Schule waren. Wir werden in einem separaten Bericht über die Situation und die Zukunftsaussichten des Kinderdorfes berichten. Den Kindern geht es aber nach Auskunft der neuen Direktorin Odeta gut. Alle Kinder konnten dank unserer finanziellen Unterstützung in den Sommerferien verreisen. Wir haben uns versichert, dass von uns finanzierte Sanierungsmaßnahmen an den Häusern durchgeführt wurden und wir haben zu gesagt, dass wir wie jedes Jahr Weihnachtsgeschenke und eine Weihnachtsfeier finanzieren werden. Mehr dazu in dem bald folgenden Weihnachtsrundbrief.

In Kaunas konnten wir zum ersten Mal das frisch renovierte „PATRIA-Jugendbegegnungshaus“ für das PATRIA-Camp nutzen. Im Anschluss an unseren Besuch im Kinderdorf Marijampoles fuhren wir nach Kaunas weiter, um das Camp mit den jungen Erwachsenen unseres PATRIA-Programms vorzubereiten. Der Rahmen für das Camp war dieses Mal sehr anders als noch vor zwei Jahren. Damals fand es im Freilicht-Museum in Rumsiskes statt. Dieses Mal haben wir nun zum ersten Mal das frisch renovierte Jugend-Begegnungshaus Haus in Kaunas für die Treffen mit den Jugendlichen genutzt, das war eine große Freude! Vor 12 Jahren hatten wir den Kauf und die Ausstattung der beiden Kinderdorf-Häuser in Kaunas großzügig finanziell unterstützt. Als durch die Umstellung der Waisenpflege auf kleine Familieneinheiten diese Nutzung nicht mehr möglich war, haben wir mit PATRIA zusammen das Konzept des Jugendbegegnungshauses entwickelt und mit Hilfe von Spendengeldern realisiert.

Das PATRIA-Team hat den nutzungsgerechten Umbau des ersten Kaunas-Hauses hervorragend umgesetzt. Nun können sich bis zu 20 Jugendliche dort treffen, an Workshops teilnehmen, mit den Betreuern sprechen und auch übernachten.  Das ehemalige Wohnzimmer wurde zu einem gemütlichen Tagungsraum und es gibt einen eigenen Raum für die Betreuer. Das diesjährige Camp war eine gelungene „Feuertaufe“ für dieses Konzept. Das Haus schafft eine sehr persönliche und familiäre Atmosphäre in der Einzelgespräche, Gruppenarbeit und auch unterhaltsame Aktivitäten gut funktionieren.

Bereits der erste Abend des PATRIA-Camps war voller bewegender Momente. Wir hatten über zehn junge Erwachsene eingeladen, die ihr PATRIA-Programm bereits beendet haben, sowie einige Jugendliche, die am Camp nicht teilnehmen konnten bzw. noch vor Beginn des PATRIA-Programms stehen. Der Austausch der „PATRIA-Alumnis“ untereinander, mit den noch im Programm befindlichen Jugendlichen und mit den Bewerbern für die Unterstützung ist für den nachhaltigen Erfolg des Programms sehr wichtig. Alle Teilnehmer berichteten von ihrer Erfahrung, ihrer Entwicklung und ihren weiteren Plänen.

Gesprächsrunde im Garten des PATRIA-Begegnungshauses

Es war wunderbar zu sehen und zu spüren, wie die Jugendlichen, die wir zum Teil seit vielen Jahren kennen, zu selbstbewussten, selbständigen und beruflich erfolgreichen Erwachsen gereift sind. Dass die Unterstützung durch PATRIA und das damit verbundene Stipendium dabei sehr geholfen haben, haben uns viele Teilnehmer bestätigt. Eine Teilnehmerin Ramune, die aus dem Kinderdorf Marijampole stammt und nun eine Ausbildung für den gehobenen Polizeidienst absolviert, hat uns und ihrer Patin nach dem Treffen in sehr bewegenden Worten geschildert, wieviel ihr unsere persönliche Unterstützung bedeutet. Die vor 6 Jahren allererste Teilnehmerin  Joana am Patria Programm hat am nächsten Tag ein Training darüber gehalten, wie man Bewerbungen schreibt. Sie hat das sehr professionell und fundiert gemacht. Wir sind stolz darauf, dass sich so viele junge Menschen in die Arbeit mit PATRIA einbringen.

Joana, PATRIA-Alumni, gibt ein Bewerbungs-Training

Wir hatten dieses Mal auch ausführlich Gelegenheit, Gespräche mit den vier Sozialarbeiterinnen Inga, Kornelija, Evelina und Indre von PATRIA zu führen, sie besser kennen zu lernen und über ihren Betreuungsansatz zu sprechen. Wir haben in den Gesprächen auch sehr viel über die jungen Erwachsenen gelernt. Jede(r) hat eine eigene Geschichte. Und genau darum geht es im Patria Programm. Es ist kein Standardprogramm (one size fits all), sondern ein personalisierter Ansatz für jeden einzelnen Teilnehmer.

Jurate Bogacz im Gespräch mit einer Teilnehmerin des PATRIA-Camps
Ein junger Mann aus dem PATRIA-Programm feierte seinen 18. Geburtstag mit der Camp-Gruppe

An den folgenden beiden Tagen fand dann das eigentliche Camp statt, eine gute Mischung aus produktiven Workshops, Gruppengesprächen, sportlicher Aktivität und Spaß. Alle Teilnehmer und einige PATRIA-Betreuer haben im Haus übernachtet. Das Camp begann mit Gesprächen im großen Kreis, an denen wir teilnahmen. Vor vielen Menschen über Gefühle zu reden, ist für manche Jugendliche eine Mutprobe. Während die weiblichen Teilnehmer das gut gemeistert haben, taten sich die meisten jungen Männer schwer damit, über sich selbst zu sprechen. Das sollte sich im Verlauf des Camps ändern.

Unsere fröhliche Gruppe im PATRIA-Camp 2021

Für uns sind die gemeinsamen Gespräche eine Gelegenheit, Themen anzusprechen, die uns wichtig sind und mit den Jugendlichen eine Bindung zu suchen. Otmar hat von der Geschichte und der Vision erzählt, die wir damals mit dem Bau der Kinderdorf-Häuser in Kaunas verfolgt haben und darüber, wie wichtig es für uns nun ist, dass PATRIA hier nun über eine Begegnungsstätte verfügt. Jurate hat von den Erzählungen der PATRIA-Alumnis berichtet und den Teilnehmern Mut gemacht, auf Vorbilder zu schauen und Menschen zu vertrauen, die ihnen helfen möchten. Dann gab es ein Coaching-Training einer erfahrenen litauischen Trainerin. Es ging hier um Resilienz und Aufbau von Selbstbewusstsein. In weiteren Gesprächskreisen wurden die Eindrücke diskutiert und vertieft. Besonders unterhaltsam war dann eine Tanzstunde mit einer litauischen Volkstanzgruppe. Wir haben über eine Stunde lang zusammen im Hof der beiden Kaunas-Häuser traditionelle Tänze gelernt und getanzt. Das gemeinsame Abendessen hat dann einen langen Partyabend eingeläutet, an dem wir bewusst nicht teilnahmen. Offenbar war die Stimmung bis tief in die Nacht hervorragend.

Ingrid und Otmar Debald freuen sich mit Karolina über den guten Verlauf des PATRIA-Camps

Nach dem morgendlichen Gesprächskreis fuhren dann alle gemeinsam mit dem Bus in einen Hochseilklettergarten ca. 1 Stunde entfernt. Der Klettergarten ist sehr groß, vielfältig und abenteuerlich, mit Baumwipfelpfaden, Seilbahnen, Abenteuer-Rutschen und vielem mehr. Hier konnten sich die Jugendlichen einige Stunden lang verausgaben. Solch sportlich anspruchsvolle Aktivitäten setzen Kräfte frei und stärken das Selbstbewusstsein. Alles ging zum Glück unfallfrei ab. Zum Abschluss gab es ein gemeinsames Grillen und eine Gelegenheit, die Erfahrungen in einer Gesprächsrunde zu teilen.

Insgesamt war das PATRIA-Camp ein großer Erfolg. Das neue PATRIA-Begegnungshaus hat sich als Ort der Begegnung bewährt und die Jugendlichen kamen durch das Camp ein gutes Stück weiter auf ihrem Weg. Wir haben in vielen Gesprächen bleibende Eindrücke mitgenommen, unsere Beziehung zum PATRIA- Team vertieft und hoffentlich auch bei vielen Jugendlichen etwas Positives bewirkt. Jede Minute dieser Reise war für uns sehr gut investierte Zeit.

Wir sind dankbar und froh, dass sich das PATRIA-Programm hervorragend bewährt hat.

Beim Abendessen haben wir mit Rita Skriadaite, unserer litauischen Projektleiterin, die Erlebnisse und die Ergebnisse besprochen, uns bei ihr für ihre hervorragende Arbeit bedankt und auf ein „weiter So“ angestoßen. Wie schon weiter oben beschrieben, hat sich das PATRIA-Programm hervorragend über die letzten Jahre entwickelt und bewährt. Wir freuen uns darauf, es gemeinsam mit dem PATRIA-Team weiterzuführen und hoffentlich noch viele junge Menschen auf dem Weg von der institutionellen Waisenhauserziehung zu einem selbständigen Erwachsenenleben zu begleiten.

Ein kurzer Besuch am Sonntagmorgen in Vilnius hat für uns die Reise vor dem Rückflug nochmal abgerundet. An Vilnius kann man sehen, wie sich das Land seit unserer ersten Reise im Jahr 2007 weiterentwickelt hat. Die Stadt wirkt wie eine moderne europäische Stadt, ohne ihre tiefen historischen Wurzeln zu verleugnen. Trotzdem gibt es insbesondere in der Jugendhilfe noch viel zu tun. Dazu wollen und werden wir unseren Beitrag leisten.

Vielen herzlichen Dank sagen wir unsere Paten, Förderern, Spendern und Freunden, die uns bei unserer Jugendhilfe-Arbeit in Litauen unterstützen. Ohne Euch könnten wir das nicht tun. Wir hoffen, dass uns im nächsten Jahr einige von Euch auf der Reise begleiten werden. Voraussichtlich wird diese wieder Anfang September stattfinden.

Ein herzliches „Aciu“ und liebe Grüße

Jurate Bogacz, Ingrid und Otmar Debald

Verein „Kinderdörfer in Litauen e.V.“